Der Pflichtteil beim Erbe

Unterstützung bei der Geltendmachung oder Abwehr von Pflichtteilsansprüchen

Rechtsanwalt Dr. Kristian Stange, Hamburg-Rotherbaum

Auf dieser Seite erfahren Sie, wer einen Pflichtteilsanspruch hat und wie Pflichtteilsansprüche effektiv durchgesetzt werden können.

Jedermann ist frei, in seinem Testament über sein Vermögen zu verfügen wie er mag. Eine Grenze zieht das Gesetz mit dem Pflichtteilsrecht, eine Art Notwehrrecht naher Angehöriger gegen die Testierfreiheit des Verstorbenen. Der Gesetzgeber will damit einen Ausgleich zwischen der Familiengebundenheit des Familienvermögens und der Testierfreiheit des Verstorbenen schaffen.

Hat also der Verstorbene nahe Angehörige, wie seinen Ehepartner oder seine Kinder enterbt, gehen diese nicht zwangsläufig leer aus. Sie haben vielmehr grundsätzlich einen Anspruch auf den Pflichtteil. Er beläuft sich auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ist ein reiner Geldanspruch, der Pflichtteilsberechtigte wird also nicht Erbe. Auch hat der Pflichtteilsberechtigte keinen Anspruch auf bestimmte Gegenstände aus dem Nachlass.

Der gesetzliche Erbe erhält seinen Erbteil automatisch. Der Pflichtteil muss dagegen aktiv geltend gemacht werden, nicht selten von einem Anwalt und vor Gericht.

Ausgezahlt werden muss der Pflichtteil von dem Erben oder der Erbengemeinschaft. Der Anspruch ist sofort mit dem Tod des Erblassers fällig und verjährt in drei Jahren ab Ende des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte von seinem Anspruch Kenntnis erlangt hat (spätestens aber 30 Jahre nach dem Erbfall).

I. Zweck des Pflichtteils: Keine Enterbung naher Angehöriger

Nahe Angehörige (wie ein Ehegatte oder Kinder) haben grundsätzlich einen Anspruch auf den Pflichtteil, sofern sie enterbt sind, sie sind pflichtteilsberechtigt. Sie haben den Anspruch auf den Pflichtteil ausnahmsweise nur dann nicht, wenn sie auf den Pflichtteil freiwillig verzichtet haben (Pflichtteilsverzicht) oder der Verstorbene den Pflichtteil dem Angehörigen wegen Unwürdigkeit berechtigt entzogen hat (Pflichtteilsunwürdigkeit).

Mit dem Pflichtteilsrecht wollte der Gesetzgeber ein Gleichgewicht zwischen der Testierfreiheit des Erblassers einerseits und der Familiengebundenheit des Vermögens des Erblassers andererseits schaffen.

II. Pflichtteilsberechtigt: Ehegatten und direkte Abkömmlinge (Kinder)

Pflichtteilsberechtigt sind in erster Linie die direkten Abkömmlinge, also Kinder (auch nichteheliche und adoptierte Kinder), sowie der Ehegatte, eingetragene Lebenspartner und die Eltern des Verstorbenen, gemäß § 2303 BGB.

Auch ein noch nicht geborenes, aber zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers bereits gezeugtes Kind besitzt einen Pflichtteilsanspruch, sofern es lebend geboren und damit rechtsfähig wird. 

Die Eltern des Verstorbenen sind nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn der Verstorbene keine eigenen Kinder hat oder diese bereits kinderlos vorverstorben sind.

In der Praxis herrscht oft Unklarheit, ob auch andere Angehörige, beispielsweise die Geschwister, Stiefkinder (sofern nicht adoptiert), der Lebenspartner (wenn nicht eingetragen) oder die Großeltern des Verstorbenen einen Anspruch auf einen Pflichtteil haben. Das ist nicht der Fall. Pflichtteilsberechtigt sind nur die Abkömmlinge des Verstorbenen sowie dessen Eltern und der Ehegatte.

Sofern in solchen Fällen eine Zuwendung aus dem Nachlass gewünscht ist, kann und muss dies durch eine entsprechende Verfügung im Testament erreicht werden. als erfahrener Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im Erbrecht kann ich Sie dabei unterstützen.

III. Wie hoch ist der Pflichtteil?

Die Höhe des Pflichtteils beläuft sich auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ist ein reiner Geldanspruch, der Pflichtteilsberechtigte wird also nicht Erbe. 

Beispiele für die Höhe des Pflichtteils:

Der gesetzliche Erbteil der Frau beläuft sich dann auf 1/4. Hinzu kommt ein pauschaler Zugewinnausgleich in Höhe eines weiteren Viertels, der zählt aber nicht zum gesetzlichen Erbteil. Zusammen erbt die Ehefrau folglich Vermögen im Wert von EUR 250.000. Der gesetzliche Erbteil des Kindes beläuft sich auf die Hälfte des Vermögens (ebenfalls EUR 250.000).

  • Hat der Verstorbene seine Ehefrau enterbt, so hat diese einen Pflichtteilsanspruch auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils in Geld (in unserem Beispiel EUR 250.000), folglich 1/8 des Nachlasswerts und damit EUR 62.500. Zudem hat sie Anspruch auf den individuell zu errechnenden Zugewinnausgleich in voller Höhe.
  • Hat der Verstorbene demgegenüber sein Kind enterbt, so hat dieses ebenfalls einen Pflichtteilsanspruch auf die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils in Geld, folglich 1/4 des Nachlasswerts und damit EUR 125.000. Der Wert des Erbteils der Ehefrau erhöht sich entsprechend um EUR 125.000.

Der gesetzliche Erbteil des Ehemanns beläuft sich dann auf 1/4 (EUR 50.000), Hinzu kommt ein pauschaler Zugewinnausgleich in Höhe eines weiteren Viertels (EUR 50.000). Der gesetzliche Erbteil jedes der vier Kinder beläuft sich auf 1/8 (EUR 25.000).

  • Hat die Verstorbene den Ehemann enterbt, so hat er mit dem Pflichtteil demnach Anspruch auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils in Geld, folglich 1/8 des Nachlasswerts (EUR 25.000). Zudem hat er Anspruch auf den individuell zu errechnenden Zugewinnausgleich in voller Höhe.
  • Hat die Verstorbene beispielsweise ihre beiden Kinder aus erster Ehe enterbt, so haben diese jeweils Anspruch auf die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils in Geld, folglich je 1/16 des Nachlasswerts (EUR 12.500). Der Wert der Erbteile des Ehemanns und der Kinder aus zweiter Ehe erhöht sich entsprechend.
Der gesetzliche Erbteil des Ehemanns beläuft sich dann auf 1/2, hinzu kommt wieder ein pauschaler Zugewinnausgleich von 1/4, zusammen also ein Anspruch von 3/4 (EUR 750.000). Der Anspruch des Bruders beläuft sich auf 1/4 (EUR 250.000). Hat die Verstorbene den Ehemann enterbt, so hat er demnach Anspruch auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils in Geld, folglich 1/4 des Nachlasswerts (EUR 250.000). Zudem hat er Anspruch auf den individuell zu errechnenden Zugewinnausgleich in voller Höhe. Hat die Verstorbene ihren Bruder enterbt, so geht er leer aus (EUR 0); Geschwister haben keinen Pflichtteilsanspruch, sie werden in § 2303 BGB nicht als Pflichtteilsberechtigte angeführt.

Unter Umständen kann es sich für die überlebende Ehefrau bzw. den überlebenden Ehemann lohnen, die Erbschaft auszuschlagen und lediglich den Pflichtteil zu verlangen, § 1371 Abs. 3 BGB. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der verstorbene Ehegatte während einer langen Ehe ein erhebliches Vermögen erwirtschaftet hat. Dies sollte in den Wochen nach dem Erbfall von einem Rechtsanwalt geprüft werden – ich unterstütze Sie hierbei fachgerecht.

IV. Geltendmachung des Pflichtteils: Sie wurden enterbt. Was tun?

Sie finden sich nach dem Tod Ihres Vaters womöglich in der Situation, dass das Testament vom Nachlassgericht eröffnet wurde und Sie enterbt wurden. Ihr Vater hat Ihren Bruder als Alleinerben eingesetzt. Was können Sie tun?

  1. Prüfen Sie das Testament. Hat das Nachlassgericht womöglich falsch entschieden, sind die Aussagen zur Erbeinsetzung bzw. Enterbung unklar? Ziehen Sie bei Zweifeln einen Rechtsanwalt hinzu – ich unterstütze Sie gerne.
  2. Sie haben einen Anspruch gegen den Erben auf Auszahlung Ihres Pflichtteils in Geld. Der Anspruch ist sofort fällig. Setzen Sie also unbedingt zunächst den Erben mittels einer Mahnung in Verzug, ggf. mit meiner Unterstützung. Denn der Anspruch ist ab Verzug zu verzinsen. Normalerweise muss der Anspruch in der Mahnung beziffert werden. Naturgemäß wird die Bezifferung nicht möglich sein, da Ihnen der genaue Wert des Nachlasses noch unbekannt ist. Die Gerichte lassen daher ein In-Verzug-Setzen durch unbezifferte Mahnung zu, wenn der Erbe zugleich nach § 2314 BGB auf Auskunft in Anspruch genommen wird.
  3. Alternativ können Sie einen Anwalt aufsuchen und eine Stufenklage zum Landgericht auf Zahlung Ihres Pflichtteils erheben, gemäß § 254 ZPO. Ich übernehme gerne Ihre Vertretung. Ab Klageerhebung wäre der Pflichtteilsanspruch dann ebenfalls zu verzinsen. In der ersten Stufe ginge die Klage auf Auskunft über Bestand und Wert des Nachlasses, in der zweiten Stufe hätte der Erbe die Richtigkeit seiner Auskunft eidesstattlich zu versichern. In der dritten Stufe geht es dann um den konkreten Zahlungsanspruch, der sich nach erhaltener Auskunft berechnen lässt.
  4. Sofern Sie nicht vollständig, sondern „nur“ weitgehend enterbt wurden, bspw. zu 1/10 als Erbe eingesetzt wurden und Ihr Bruder zu 9/10, können Sie womöglich einen Pflichtteilsrestanspruch geltend machen, gemäß § 2305 BGB. Sie könnten die wertmäßige Differenz des Erbteils zum Pflichtteilsanspruch verlangen, sofern letzter höher ist. Ich prüfe dies für Sie und kann Ihre Ansprüche für Sie geltend machen.
  5. Sofern Sie im Testament enterbt und lediglich ein „kleines“ Vermächtnis von Ihrem Vater erhalten haben (bspw. Schmuck oder eine Uhr), können Sie entweder
    • das Erbe ausschlagen und den Pflichtteil verlangen, § 2307 Abs. 1 Satz 1 BGB; oder
    • auch hier den sogenannten Pflichtteilsrestanspruch geltend machen, § 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dieser geht auf die Höhe der Differenz zwischen dem Pflichtteil und dem Wert des Vermächtnisses (vereinfacht).
  6. Womöglich wurden Sie im Testament enterbt und der Verstorbene hat vor seinem Tod erhebliche Teile seines Vermögens bereits an seine Lieblingstochter (oder wen auch immer) verschenkt. Was können Sie tun?
    Sie haben gemäß § 2325 als Pflichtteilsberechtigter unter Umständen einen sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch. Sie können damit – zusätzlich zu Ihrem Pflichtteil – vom Erben Auszahlung des Betrags verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird. Auch in diesem Fall kann ich für Sie prüfen, ob Sie entsprechende Ansprüche haben und setze diese für Sie durch.

V. Abwehr des Pflichtteils: Sie haben geerbt und jemand verlangt den Pflichtteil. Was tun?

Nehmen wir an, Sie finden sich in der Situation wieder, dass Sie von Ihrem Vater als Alleinerbe eingesetzt wurden und Ihr Bruder nun den Pflichtteil geltend macht. Was sind Ihre Handlungsmöglichkeiten?

  1. Prüfen Sie, ob der Pflichtteilsberechtigte (in diesem Fall Ihr Bruder) gegebenenfalls in der Vergangenheit einem Pflichtteilsverzicht zugestimmt hat oder ob der Verstorbene ihm den Pflichtteil wegen Unwürdigkeit entzogen hat. Konsultieren Sie im Zweifel einen Rechtsanwalt.
  2. Falls der Pflichtteilsberechtigte des Pflichtteils unwürdig ist, können Sie seinen Anspruch auf den Pflichtteil anfechten und damit vernichten, § 2345 Abs. 2 i.V.m. § 2339 Abs. 1 BGB. Unwürdig ist,
    • wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich getötet oder zu töten versucht oder in einen Zustand versetzt hat, infolge dessen der Erblasser bis zu seinem Tode unfähig war, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben,
    • wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich verhindert hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben,
    • wer den Erblasser durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben,
    • wer sich in Ansehung einer Verfügung des Erblassers von Todes wegen einer Straftat nach den §§ 267, 271 bis 274 des Strafgesetzbuchs schuldig gemacht hat.
    Schildern Sie mir Ihren konkreten Sachverhalt und ich prüfe für Sie, ob und wie Sie Pflichtteilsansprüche rechtskräftig abwehren können.
  3. Als Erbe können Sie – da Sie selbst pflichtteilsberechtigt wären – beim Amtsgericht (Nachlassgericht) eine Stundung des Pflichtteilsanspruchs beantragen, gemäß § 2331a BGB. Voraussetzung für die Stundung ist, dass Sie die sofortige Erfüllung ungewöhnlich hart treffen würde (Bsp: Die Aufgabe des Familienheims oder Veräußerung des Familienunternehmens, eines Mietshauses oder einer Landwirtschaft, sofern Lebensgrundlage). Kein Stundungsgrund läge darin, dass Wertpapiere gerade einen ungünstigen Börsenkurs aufweisen.
  4. Als Erbe können Sie Ansprüchen des Pflichtteilsberechtigten möglicherweise die Einrede der Verjährung entgegenhalten. Der Pflichtteilsanspruch verjährt in drei Jahren ab dem Zeitpunkt, an dem der Pflichtteilsberechtigte vom Erbfall, der Enterbung und der Identität des Erben Kenntnis erhalten hat, jedenfalls aber in 30 Jahren nach dem Erbfall. Das gilt auch für Nacherben.
  5. Vorstehendes kann naturgemäß nur einen kleinen Einblick in die möglichen Fallgestaltungen beim Pflichtteil des Erbes bieten. Gerne berate ich Sie zu Ihren Rechten und Pflichten in Ihrem spezifischen Fall. Zudem übernehme ich auch Ihre Vertretung sowohl bei der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen als auch – sofern Sie der Erbe sind – bei der Abwehr von Pflichtteilsansprüchen. Stellen Sie uns einfach hier einen Termin für ein unverbindliches Vorgespräch ein, ob telefonisch oder vor Ort in meiner Rechtsanwaltskanzlei in Hamburg.
Inhalt

Sprechen Sie mich gern an.